Robinie
Reichlich verdutzt waren viele Förster, als ausgerechnet die Robinie zum Baum des Jahres 2020 von der Dr. Silvius Wodarz Stiftung gekürt wurde. Welche Gedankengänge waren da im Spiel?
Die Baumart ist definitiv umstritten, für den Waldbau und den Naturschutz problematisch, aber in mancher Hinsicht auch genial.
Einwanderer aus Amerika
Von Natur aus kommt die Robinie im Osten Nordamerikas vor. Dort wächst sie als Mischbaumart in artenreichen Laubwäldern. Wohl vor allem aufgrund der schönen Blüten und des hohen Nektarreichtums fiel diese Baumart Botanikern auf und sie wurde schon früh nach Europa importiert. Ihren Namen verdankt sie dem Pariser Gärtner Jean Robin, der sie in Parks kultivierte. Von dort aus eroberte die Robinie schnell den europäischen Kontinent.
Nicht mit der Akazie, mit der Erbse verwandt
Aufgrund eines etwas ähnlichen Aussehens wird die Robinie landläufig gerne Akazie genannt. Aber mit den Akaziengewächsen besteht keine echte Verwandtschaft. Botanisch gehört die Robinie zu den Schmetterlingsblütler. Sie ist daher mit Erbsen und Bohnen verwandt. Und ebenso wie diese verfügt die Robinie über Knöllchenbakterien, die in der Lage sind, Stickstoff zu binden. Das verschafft ihr einen genialen Ernährungsvorteil - selbst auf armen Böden findet die Robinie diese lebensnotwendigen Nährstoffe. Und damit beginnt der Siegeszug der Robinie gegenüber den heimischen Baumarten. Sie wächst aufgrund des verfügbaren Stickstoffs selbst auf ärmsten Böden und verändert diese zu ihren Gunsten. Da sie in der Jugend schnell wächst, überrundet die Robinie andere Gehölze und sorgt so dauerhaft dafür, dass aus heimischen Mischwäldern Robinienreinbestände werden. Für die Artenvielfalt sind diese Wälder jedoch wenig wertvoll. Heimische Arten können mit der Robinie kaum etwas anfangen- sie haben sich nicht auf diese Baumart spezialisieren können. An der Eiche leben über eintausend Insekten, die aussterben würden, gäbe es keine Eiche. Das wäre ein gewaltiger ökologischer Schaden. Würde die Robinie verschwinden, so würde das die heimische Insektenwelt wenig berühren.
Imker stehen auf Robinien
Spätestens an dieser Stelle schreien manche Imker auf. Die Honigbiene profitiert von den nektarreichen Blüten sehr, die Robinie liefert den berühmten Akazienhonig in große Mengen, wenn das Wetter zur Trachtzeit stimmt. Von dem Nektarreichtum profitieren sicher auch andere Insekten – in ihrer Existenz sind sie jedoch nicht von der Robinie abhängig. Für Imker ist eine gute Akazientracht wichtig. Berufsimker füllen eine landwirtschaftliche Nische aus. Ähnlich wie Schäfer ist mit den Erträgen in einer solchen Nische nur schwer zu überleben. Aber für Vielfalt in der Natur und für die Bestäubung der Nutzpflanzen sind Honigbienen immens wichtig. Den Imkern sei die Robinie gegönnt.
Hammerhartes Holz
Auch das Holz dieser Baumart hat geniale Eigenschaften. Es ist sehr dauerhaft, äußerst hart und hat den höchsten Brennwert der hier wachsenden Hölzer. Wenn im Außenbereich ohne Holzschutzmitteln Holz verarbeitet werden soll ist Robinie die erste Wahl. Auf Kinderspielplätzen, für den Lawinenschutzverbau, für Holzfassaden im Außenbereich ist die Robinie ideal. Aber sie liefert auch wunderschönes Möbelholz. In Roschbach in der Südpfalz gibt es sogar ein Fachwerkhaus aus Robinie. Einmalig und absolut sehenswert.
Robinie und Klimawandel
Vielleicht hat man bei der Wahl zum Baum des Jahres ja auch an den Klimawandel gedacht. Robinie kommen mit Trockenheit und hohen Temperaturen eigentlich gut klar. In den letzten beiden Sommern mit Extremhitze und wenig Wasser schwächelten aber auch viele Robinie, viele wurden im oberen Stammteil trocken. Eine wirkliche Alternative für die Neuanpflanzung des klimagestressten Waldes ist die Robinie nicht.
Sie hat sich in vielen Wäldern mittlerweile etabliert und wird aufgrund ihrer Dominanz nicht mehr verschwinden. Einen besonderen forstlichen Schutz braucht sie nicht. Man kann mit ihr leben.
Sie sorgt gut für sich selbst.
Volker Westermann