Der Maikäfer im Bienwald
... Sympathieträger und gefräßiges Insekt zugleich. Der Maikäfer ist in der warmen Oberrhein-Region schon immer heimisch. Alle 50 bis 70 Jahre neigt er zu einer Massenvermehrung, wobei eine Maikäfergeneration 4 Jahre dauert.
Entwicklungszyklus
Die Maikäferlarve, der sogenannte Engerling, lebt im Boden. Nach einer dreijährigen Entwicklung fliegt der Käfer im vierten Jahr aus. Ab Ende April 2019 war der Maikäfer, insbesondere im trockeneren östlichen Bienwald, wieder in großer Zahl anzutreffen, denn der Generationenwechsel erfolgt für die gesamte Population mehr oder weniger zeitgleich. So wurden im Bienwald 2019 über 40 Millionen Maikäfer erwartet.
Nach dem sogenannten „Reifungsfraß“ der Käfer an den ausgetriebenen Blättern von Laubbäumen erfolgt die Paarung und anschließende Eiablage in den Boden. Der Kreislauf hat sich geschlossen. Dem teilweise entstehenden Kahlfraß in den Baumkronen folgt in der Regel ein Neuaustrieb der Bäume. Während der Fraß der Blätter recht harmlos ist und meist überwunden wird, kann der Wurzelfraß der Engerlinge bedrohlich werden.
Wurzelfraß
Der Wurzelfraß schränkt die Wasseraufnahme der Bäume ein und führt zu „Trockenschäden”, die sich in absterbenden Kronenteilen zeigen. Bei wiederkehrendem starkem Engerlingsfraß und weiteren Stressfaktoren, wie zunehmender Sommertrockenheit, können Bäume auch vollständig absterben. Am stärksten betroffen sind junge Laubholzbestände. Einzeln bis gruppen- und truppweise fallen hier oft nachwachsende junge Buchen und Eichen, aber auch andere Baumarten aus.
"Trockenschäden" sind Merkmal
„Trockenschäden“ an Buchen durch Wurzelfraß der Maikäfer-Engerlinge
Aufmerksame Waldbesucher erkennen in den betroffenen Gebieten deutliche Schäden bei älteren Buchen an vielen abgestorbenen Ästen im oberen Kronenbereich.
Vorkommen und Verbreitung ...
Seit etwa 1983 ist der Maikäfer im Bienwald wieder in Ausbreitung begriffen. Besonders seit 1999 nahm sein Vorkommen sehr stark zu. Vor 4 Jahren lag die Besiedlungsfläche des Maikäfers in den trockeneren Teilen des Bienwald schon bei etwa 5.000 ha. 2019 wird mit einem Maikäferflug auf rund 6.000 Hektar Waldfläche gerechnet. Nicht besiedelt wird der nässere Bereich des zentralen und westlichen Bienwaldes. Hier verhindern zeitweise hohe Wasserstände die Entwicklung der Maikäfer-Engerlinge.
Auf etwa 850 ha liegen im Bienwald 2019 deutlich erkennbare Ausfälle an Bäumen vor. Etwa 600 ha befinden sich im Staatswald nordwestlich von Berg beziehungsweise zwischen Wörth und Kandel, ca. 250 ha im Stadtwald Kandel, sowie in den Gemeindewäldern Erlenbach, Rheinzabern und Hatzenbühl.
... in den letzten Jahrzehnten
Die Verbreitungskarten zeigen deutlich, dass sich die Befallsfläche in den letzten 35 Jahren deutlich vergrößert hat.
Mit dem Absterben von Laubbäumen nimmt teilweise auch die Gefährdung durch andere Insekten zu. In entstehenden Lücken etablieren sich heute oft auch invasive Neophyten (neueingebürgerte Pflanzen), wie beispielsweise die Kermesbeere und die Spätblühende Traubenkirsche, welche die Neuansamung heimischer Baumarten erschweren können.
Wissenschaftliche Begleitung
Zur Überwachung der Populationsentwicklung des Maikäfers führt die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg Probegrabungen nach Engerlingen sowie Ausflugkontrollen der entwickelten Käfer durch. Gleichfalls erfasst wird die Ausdehnung der abendlichen Schwärmflüge.
Während die kritische Dichte der Engerlinge, ab der spürbare Schäden zu erwarten sind, bei 1-2 Engerlingen im dritten Stadium pro Quadratmeter liegt, betrug die Dichte bei den Probegrabungen im Fluggebiet des Bienwaldes im Herbst 2017 im Durchschnitt etwa 3,5 Engerlinge pro Quadratmeter. Dabei wurden im Einzelfall jedoch auch bis zu 44 Engerlinge pro Quadratmeter gefunden.
Der Ausfall von Bäumen sowie die damit einhergehende Verlichtung und Entmischung der vom Maikäfer betroffenen Wälder im Bienwald ist ein Prozess, der oft punktuell auftritt und sich dann, „schleichend“, auch über größere Flächen fortsetzt
Aus dem 19. und 20. Jahrhundert sind im Bienwald Massenvermehrungen mit Auftreten von Millionen von Käfern dokumentiert, infolge derer Bäume auch flächenhaft abstarben. Besonders betroffen waren und sind Laubbäume, allen voran Buche und Eiche. 1951 war das Befallsgebiet im Bienwald etwa 5.500 ha groß. Die damals durchgeführten intensiven Bekämpfungsmaßnahmen mit Insektiziden führten zum deutlichen Rückgang des Maikäfers.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden die Maikäfer noch in großem Umfang manuell gesammelt.
Einen Zeitzeugenbericht aus dem Forstwirtschaftlichen Centralblatt von 1911 können sie hier herunter laden.
Wie gehen die Forstleute heute mit der Maikäferproblematik um?
Zwischen der Zunahme des Maikäfers und der Problematik des Klimawandels besteht kein direkter Zusammenhang, jedoch speichern Bäume in ihrem Holz in großem Umfang Kohlenstoff-Dioxid. Pro Hektar Wald in Rheinland-Pfalz sind dies über 300 Tonnen. Sterben viele Bäume kann der Wald nur noch weniger von diesem Treibhausgas speichern. Im Sinne des Klimaschutzes aber auch der sonstigen Waldfunktionen fördert das Forstamt deshalb ganz gezielt das Nachwachsen von jungen Bäumen durch natürliche Ansamung widerstandsfähigerer Baumarten, wie zum Beispiel der Kiefer. Gezielte Pflanzung auch sonstiger Bäume erfolgt, wo erfolgversprechend. Gleichzeitig werden über Pflanzversuche neue Erfahrungen zur Resistenz von Baumarten gewonnen. Der Schutz gefährdeter junger Bäumen vor Wildverbiss wird durch technische Schutzmaßnahmen und jagdliches Management sicher gestellt.
Der reguläre Holzeinschlag wird in den Maikäfergebieten auf die Entnahme von absterbenden und schon abgestorbenen Bäumen reduziert. Zum Schutz der Waldbesucher werden an viel begangenen Wanderwegen gezielte Verkehrssicherungsmaßnahmen durchgeführt.
Teilflächen stark betroffener Maikäferbereiche bleiben der natürlichen Entwicklung überlassen, andere sollen durch spezielle Naturschutzmaßnahmen ergänzt werden.
Aus Gründen des Naturschutzes sowie fehlender zugelassener Pflanzenschutzmittel ist eine Bekämpfung nicht vorgesehen.
Die betroffenen Kommunen und die Region werden zum Fortgang der Maikäferentwicklung regelmäßig informiert.
Die Maikäfermassenvermehrung – eine ökologische Katastrophe?
Das umfangreiche Absterben von Bäumen infolge des Wurzelfraßes der Maikäferengerlinge führt nicht nur zu Senkung des Klimaschutzpotentials des Waldes und einer deutlichen Veränderung seiner Erscheinung, sondern für den Waldbesitzer auch zu deutlichen finanzielle Verlusten. Kann deshalb jedoch auch von einer ökologischen Katastrophe gesprochen werden? Tatsächlich gehört der Maikäfer zur heimischen Tierwelt und seine Evolution war in der Region auch ein Bestandteil der geschichtlichen Entwicklung des Gesamtökosystems „Wald“. Insofern geht das Forstamt davon aus, dass sich der Wald hinsichtlich der Baumartenzusammensetzung im Maikäfergebiet zunächst zwar stark verändern wird, jedoch als Ökosystem langfristig erhalten bleibt. Ein „Profiteur“ des Maikäfers könnte die Baumart Kiefer sein, welche durch die mit dem Ausfall vieler Buchen einhergehenden Verlichtung der Waldbestände, sich stärker natürlich ansamen kann, als dies bei hohen Buchenanteilen in einem gemischten Wald möglich wäre. Von der starken Auflichtung können auch sonstige licht- und wärmeliebende Tier- und Pflanzenarten profitieren, die in geschlossenen Wälder nur geringere Perspektiven finden. Insofern ist die Bewertung der Maikäferproblematik auch von der jeweiligen Perspektive abhängig.
Fragen bleiben!
Wirklich sehr große Sorgen bereitet dem Forstamt die starke Zunahme der Neophyten, insbesondere der Amerikanischen Kermesbeere, welche die Neuansamung von Bäumen erheblich einschränken kann. Wie sich die am bisherigen evolutionären Prozess nicht beteiligten Neuankömmlinge langfristig auf das Gesamtsystem auswirken werden, ist noch vollkommen unabsehbar.
Nicht zu vergessen sind auch die betroffenen Waldeigentümer. In der Bienwaldregion kommt der Maikäfer neben dem Staatswald auch in Gemeindewäldern vor. Auf diese werden absehbar erhebliche wirtschaftliche Verluste zukommen. Da die Bienwald-Region und die hier lebenden Menschen ganz wesentlich von der Multifunktionalität des Waldes profitieren, wie auch von den Leistungen, welche die Waldeigentümer dafür erbringen, ist aus Sicht des Forstamtes ein breiter gesellschaftlicher Dialog erforderlich, der die Betroffenen mit der Maikäferproblematik nicht alleine lässt.
... und die Maikäfer?
Sie werden nach der Sicherstellung der Vermehrung und der Eiablage im Laufe des Juni nicht mehr anzutreffen sein.
Zurück bleibt eine neue Generation von im Boden lebenden Engerlingen, die nach ihrer mehrjährigen Entwicklung erst wieder 2023 ein großes Maikäfer-Flugjahr erwarten lassen.