Marteloskop

Marteloskop

Wissen mit Handeln verbinden

Im Idarwald bei Stipshausen am Fuße des Idarkopfs befindet sich das erste Marteloskop in Rheinland-Pfalz. Das genau ein Hektar große Waldübungs- und Beobachtungsareal im Viergemeindewald wurde 2018 eingerichtet. Es dient sowohl Forstleuten, als auch Naturschützern und Waldinteressierten als ideale Trainingsfläche, um verschiedenste Aspekte rund um nachhaltige forstliche Nutzung, Naturschutz und Biodiversität betrachten und verbinden zu können.

 Auf der Fläche im Wald bei Stipshausen sind genau 394 Bäume standörtlich eingemessen und nummeriert. Die genaue Lage der Bäume in der Fläche kann somit kartografisch dargestellt werden. Die Baumartenanteile verteilen sich zu 61 % auf Buchen als typische Baumart des Hunsrücks und zu 39% auf Eichen und eine einzige Fichte. Die Bäume sind überwiegend zwischen 80 und über 200 Jahre alt. Jeder Baum wurde akribisch untersucht und mit Höhe, Brusthöhendurchmesser, Holzvolumen und seinen wichtigsten ökologischen und ökonomischen Wertmerkmalen erfasst. Das Marteloskop wird betreut von Herrn Manfred Witz, Forsteinrichter bei der Zentralstelle der Forstverwaltung.

Integrative Waldwirtschaft

Die ersten Marteloskope wurden in Frankreich eingerichtet und sind z.T. schon über 30 Jahre alt. Die mit den Marteloskopen verfolgten Ziele lagen damals überwiegend im rein forstlichen Bereich, d.h. waldbauliches Handeln durch virtuelles Auszeichnen zu analysieren und zu trainieren.

Im Jahr 2013 wurde vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) ein Projekt begründet, um den Ansatz einer „Integrativen Waldwirtschaft“ zu fördern. Im Rahmen waldbaulicher Entscheidungen sollen dabei die Belange des Naturschutzes (Habitatstrukturen, Biodiversität) flächendeckend berücksichtigt werden. Kernstück des Projekts „Integrate+“ ist ein Netzwerk von Demonstrationsflächen unterschiedlichster Ausprägung. Unter der Federführung des „European Forest Institute“ (EFI, www.efi.int),  einer internationalen Organisation europäischer Staaten, wurde das Konzept entwickelt und europaweit umgesetzt. Mittlerweile sind in Europa mehr als 80 Marteloskope entstanden.  EFI, mit einem regionalen Büro in Bonn, forscht und unterstützt die Politik in forstbezogenen Fragen und verbindet Wissen mit Handeln.

Mitarbeiter des Europäischen Forstinstituts EFI und der Universität Nancy in Frankreich haben in den vergangenen Jahren das Konzept der Marteloskope weiterentwickelt. EFI hat dazu ein Trainings-Simulationsprogramm für Tablets und Smartphones konzipiert. Die Software erlaubt es in den Marteloskopen (Auszeichnungs-) Übungen mit unterschiedlichen Fragestellungen zu durchlaufen und vor Ort zu analysieren und waldbauliche Entscheidungen zu simulieren.

Ökologischer Kriterienkatalog

Parallel zur Definition ökonomischer Kriterien erstellten eine Reihe europäischer Wissenschaftler einen Katalog der Baummikrohabitate* mit ökologischen Bewertungsmerkmalen. Am Einzelbaum werden z.B. folgende Merkmale aufgenommen:  Stamm-, Ast-, Mulm-, Stammfußhöhlen, Dürräste, Stammverletzungen, Rindenschürfungen, Rindentaschen, Risse, Spalten, Pilzfruchtkörper, Horste, Stamm-, Kronentotholz, Moos-, Flechtenbelag, und Vieles mehr. Die ökologische Bewertung der Baummikrohabitate erfofgt über eine Punktevergabe, wobei Ausprägung und Seltenheit des jeweiligen Merkmals von besonderer Bedeutung sind. Jeder Baum hat somit neben seiner ökonomischen Bewertung auch eine ökologische Einwertung nach Punkten.

*Der 16-seitige Katalog der Baummikrohabitate: Kraus, D., Bütler, R., Krumm, F., Lachat, T., Larrieu, L.,  Mergner, U., Paillet, Y., Rydkvist, T., Schuck, A., und Winter, S., 2016. Katalog der Baummikrohabitate – Referenzliste für Feldaufnahmen.  Integrate+ Technical Paper. kann von folgender Webseite abgerufen werden: www.integrateplus.org.

Wichtigstes Werkzeug der Forstleute: Die Beobachtung

Forstleute sind es gewohnt in langfristig, über Generationen hinweg zu denken, und die Ergebnisse ihres Handelns zu beobachten. Eine Entscheidung zu treffen, welcher Baum als Zukunftsbaum im Wald belassen wird und wachsen darf, und welcher Baum entnommen wird, ist nicht immer einfach. Die waldbauliche Behandlung der Wälder ist sehr situationsbezogen und unterscheidet sich oft aufgrund der (stand-) örtlichen Gegebenheiten. Das Marteloskop kann dazu beitragen über eine Simulation verschiedener Behandlungsvarianten zu einer aus okonomischer und ökologischer Sicht verträglichen Eingriffsstrategie zu kommen. Mit diesem „Simulator für die integrative Waldwirtschaft“ können Forstleute die Entwicklung des Waldes bei Veränderung ökologischer und ökonomischer Faktoren und deren Auswirkungen beobachten und verdeutlichen.

Ort des Lernens und Verstehens

Das Marteloskop ist ein Ort des Lernens und Verstehens. Die eingerichtete Übungsfläche und die digitalen Tools eignen sich hervorragend für den Einsatz in der Natur-und Umweltbildung und als Plattform für den waldbaufachlichen Erfahrungsaustausch. Sie kann für das Waldbautraining, zur betriebsinternen Abstimmung, zur Ausarbeitung von Alternativszenarien und als Diskussionsgrundlage mit externen Interessenvertretern genutzt werden.

Interessant ist das Marteloskop auch für nichtamtliche oder amtliche Naturschützer, weil die Arbeit der Forstleute transparent wird und Entscheidungen mit unterschiedlichen ökonomischen und ökologischen Konsequenzen konkreter zusammen mit Forstleuten diskutiert werden können.

Im Wald werden Tablet-Computer ausgegeben, mit denen idealerweise in Kleinstgruppen verschiedene Aufgaben zu lösen sind. Die Übungen können auf die Teilnehmergruppe speziell zugeschnitten werden. Hier gibt es viele Möglichkeiten: Forstleute markieren Bäume für einen geplanten Hieb und müssen dabei verschiedene Vorgaben beachten. Für eine Teilnehmergruppe „Umweltbildung“ dagegen ist vielleicht das Auffinden ökologisch besonders wertvoller Bäume und deren Mikrohabitate interessant (Habitat ist der Lebensraum einer bestimmten Pflanzen- oder Tierart). Ebenso wäre z.B. eine Wertansprache am stehenden Einzelbaum eine gute Trainingsmöglichkeit.

Es stehen 10 Tablets zur Verfügung, wodurch die Gruppenstärke auf maximal 20 Personen (2 P./Tablet) begrenzt ist. Waldbautrainer Manfred Witz schult mit seinem Kollegen angehende Förster, Forsteinrichter und Waldbauinteressierte in unregelmäßigen Abständen am Marteloskop. Es geht um Analyse, Variantenstudium, Diskussion und Austausch. Hier kann der Einfluss des waldbaulichen Eingriffs auf die künftige Wertentwicklung der verbleibenden Bäume untersucht werden. Zukunftsmusik ist noch die Prognosemöglichkeit bezüglich der weiteren Wald- und Wertentwicklung. Eine Übergabemöglichkeit von Daten aus der jeweiligen Behandlungssimulation in einen Waldwachstumssimulator könnte schon bald zur Verfügung stehen.

Schutz der Wald-Biodiversität

Der Schutz der Biodiversität in bewirtschafteten Wäldern ist eng mit dem Erhalt von Mikrohabitatstrukturen verbunden. Die beobachteten Veränderungen dieser Kleinsthabitate und ihre Auswertung über Jahre hinweg können einen wertvollen Beitrag zur Biodiversitätsstrategie erbringen. Dabei stellen sich viele interessante Fragen, etwa: Welche Naturschutzinstrumente sind für eine umfassende und repräsentative Artenvielfalt in unseren Wäldern nötig?

Interessanter Link: Das European Forest Institute hat einen 22-minütigen Dokumentarfilm produziert, der vermitteln soll, wie in Europa Naturschutz mit nachhaltiger Waldbewirtschaftung verbunden werden kann: „Wald verantwortungsvoll nutzen: der integrative Ansatz“, Film von Daniel Kraus und Andreas Schuck / 2017 und des Europäischen Netzwerkes Integrate+ > http://www.integrateplus.eu/index_de.html. Siehe auch https://www.bmel.de/DE/themen/wald/waelder-weltweit/integrate.html;jsessionid=8E9EDDA4507AE2B938508C278426B996.internet2852 (Internationale Waldpolitik)

Was ist überhaupt....

...ein Marteloskop?

Das Wort „Marteloskop“ leitet sich vom französischen Wort „Martelage“ ab und entspricht dem deutschen Begriff „Hiebsauszeichnung“ mit dem „Waldhammer“ („le marteau“). Diesen Waldhammer mit einer Axt- und Siegelseite benutzten Forstleute früher und benutzen ihn in manchen Ländern auch noch heute, um ihr Siegel an Baumstämme anzubringen, die entnommen werden sollen. Genau genommen bedeutet das französische Wort „marteler“ Hämmern oder Anzeichnen. Die Wortendung „–skop“  im zweiten Teil des Kunstworts Marteloskop geht auf das altgriechische Wort „skopeĩn“ zurück und bedeutet "sehen, schauen, betrachten, untersuchen". In einem Marteloskop wird somit eine Hiebsauszeichnung näher betrachtet und analysiert.